"Die, die da sind, sind genau die Richtigen"
Es ist immer wieder bewegend, bisweilen auch sehr lustig, mit Menschen über die Weisheit zu reflektieren, die in den vier Prinzipien des Open Space liegt. Hier möchte ich zwei interessante Erkenntnisse teilen, über die Teilnehmende aus dem Facilitation-Training auf dem Metaforum diesen Sommer berichteten.
Monika (Name geändert) hatte ein Thema eingebracht zu „Open Space und Umgang mit Jugendlichen“ in Bezug auf ihren eigenen Sohn, also ein persönliches Thema, welches ihr sehr am Herzen lag und bei dem sie schwierige, ungelöste Fragen hatte. Im Open Space ist es für uns oft aufregend, zuweilen auch etwas beängstigend, nicht zu wissen, ob jemand zu unserem Anliegen kommt, oder ob wir alleine dasitzen, und uns womöglich grämen oder allein fühlen. Das Prinzip „Die, die da sind, sind genau die Richtigen“ lädt uns ein, uns keine unnötigen Gedanken über Menschen zu machen, die NICHT da sind, sondern mit denen zu arbeiten, die da sind – im Wissen, dass es genau die Personen sind, denen das Anliegen genauso wichtig ist wie mir selbst. Und trotzdem bleibt oft eine Unsicherheit übrig…. „und was ist, wenn keiner kommt?“.
Letztlich war Monika die einzige Teilnehmerin, die in ihrer Gruppe war. Am Abend berichtete sie, wie freudvoll und erkenntnisreich es war, sich einfach alleine in die Anliegengruppe zu setzen und ihre Gedanken aufzuschreiben. Sie beschrieb, dass es ein seltener Moment der Ruhe und des Friedens war, für sich zu reflektieren, ihre Gedanken aufzuschreiben und im Anschluss glücklich und erfüllt in eine andere Anliegengruppe zu „hummeln“. Diese Erfahrung ist höchst persönlich und bewegend, denn sie zeigt, wie es ist, zu seinem Anliegen zu stehen und sich nicht um andere zu scheren….. Und sie ist nichts Ungewöhnliches – zumindest in der Welt des Open Space….
Wirklich ungewöhnlich waren jedoch die Erfahrungen der beiden anderen Teilnehmenden:
Lukas wollte das Thema „Lernen und Open Space“ reflektieren, auch er war der Einzige in seiner Anliegengruppe. Er hat das Thema jedoch umgehend in seiner Facebook-Community zur Diskussion gestellt – und dort innerhalb weniger Minuten ganz viel Feedback bekommen und eine lebhafte Diskussion in Gang gesetzt. Einerseits war er also virtuell sehr intensiv mit einer Gruppe von Menschen im Austausch, andererseits schrieb er diese Online-Beiträge auf ein Flipchart und konnte sie so in unserem Seminar präsentieren.
Bettina schließlich ging zu ihrer Anliegengruppe in den Klosterinnenhof – ein Ort, wo auch immer andere TN sitzen, die gerade nicht arbeiten. Dort saß nun zufällig Dr. Stephen Gilligan, der – wohlbekannt – als Referent seit vielen Jahren auf dem Metaforum sein Seminar zu „Generativer Trance“ durchführt und gerade eine Pause genoss. Bettina setzte sich zu ihm, er fragte sie, ob sie gerade arbeite und er sie dabei störe, sie antwortete, dass sie zwar arbeite, aber er sie nicht störe. Daraufhin fragte er interessiert, an was sie denn arbeite. Es war ein Thema, was für sie gerade sehr wichtig war, nämlich wie sie ihre Berufung finden kann, es ging also um ihren weiteren beruflichen Werdegang. Die beiden fingen an, darüber zu sprechen, Stephen stellte ihr einige sehr hilfreiche Fragen und regte sie zu einem guten Gespräch an. Auf dem Dokublatt standen später einige Notizen auf Englisch – und als TN der Gruppe waren Bettina und Stephen Gilligan eingetragen.
Auch dies war eine sehr ungewöhnliche Erfahrung. Stephen war in diesem Moment nur zufällig da, aber er war für Bettina genau der richtige Gesprächspartner, weil er ihr einen wichtigen Input gegeben hat.
Beim Erzählen dieser drei Erlebnisse in der Gruppe hat sich ein sehr angeregter Austausch ergeben. Und die Teilnehmenden haben ein tiefes Verständnis des Open Space-Prinzips „Die, die da sind, sind genau die Richtigen“ entwickelt und die Erkenntnis gewonnen, dass diese andere Sicht auf die Welt ganz andere Dinge ermöglicht und sehr viel verändern kann, wenn man sich öffnet.
Ich selbst habe mich während des gesamten Sommercamps immer wieder alleine an einen Tisch gesetzt, daraufhin setzten sich immer andere Leute dazu und wir haben jedes Mal sehr interessante Gespräche geführt. Tatsächlich ist dies seit Längerem ein Lebensprinzip von mir geworden: die Situation so zu nehmen, wie sie ist, mich zu öffnen und zu schauen, was geschieht.
Die Prinzipien des Open Space fordern mich immer wieder heraus und bereichern mein Leben. Manchmal vergesse ich das. Aber hier, beim Sommercamp, ist es mir wieder sehr klar geworden.
Und wie sieht das bei Euch aus? Vielleicht habt ihr auch Geschichten, wie das Prinzip bei euch wirkt…..