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7 Emergenz ermöglichenMeine Grundsätze des #Facilitation, 7 von 8
Im Umgang mit Veränderungen zeigt sich der Unterschied zwischen einem trivialen und einem lebendigen System besonders deutlich. Die Idee, dass eine Veränderung von außen herbeigeführt werden kann und dann ein Status quo erreicht wird, der sich erst wieder ändert, wenn ein neuer »Fehler« auftritt, ist in der Funktionalität einer Maschine maßgeblich und wichtig, beim Umgang mit Menschen und Gruppen jedoch eine grob fahrlässige Fehleinschätzung.
Interessanterweise begegnet mir diese Idee und Haltung jedoch erstaunlich oft. Vor allem in Zeiten von hohem Druck und als unzumutbar empfundenen Arbeitsbelastungen suchen Führungskräfte (oftmals unbewusst) nach dem scheinbar »richtigen Hebel«, von dem sie sich eine Veränderung in die gewünschte Richtung durch Maßnahmen wie Versetzungen von Mitarbeitenden, Erweiterung oder Verringerung der Führungsspanne, Einsatz von Disziplinierungsmaßnahmen oder Personalentwicklung erhoffen. Natürlich können diese Maßnahmen eine hilfreiche neue Struktur bilden, in der dann eine Veränderung stattfinden kann. Meist ist es jedoch die Kommunikation darüber und die Gestaltung der Beziehung, die in solchen Maßnahmen ebenfalls einen Unterschied macht.
Für uns Facilitatorinnen bedeutet dies, dass wir Kenntnisse über Veränderungsdynamiken und Gruppenphänomene sowie Erfahrung haben sollten. Entscheidend ist hierbei unser Umgang mit Widerständen und Einwänden beziehungsweise Konflikten:
- Sehen wir Widerstand als Problem und versuchen wir zu vermeiden, dass Menschen Unmut oder Opposition aufzeigen? Oder erkennen wir in Widerstand so etwas wie blockierte Erregung, also Energie, die notwendig ist, um etwas zu bewegen?
- Sind wir in der Lage, alles vermeintlich herausfordernde Verhalten als Zeichen zu sehen, dass Menschen »dabei« sind und ein berechtigtes Interesse haben oder dass sie etwas Zentrales sicherstellen wollen?
- Sind wir bereit, jenseits von Machtinteressen, die zweifelsfrei ebenfalls eine Rolle spielen, den Menschen dahinter zu sehen mit seinen Nöten, Ängsten und Sehnsüchten?
- Gelingt es uns, immer davon auszugehen, dass Menschen stets das tun, was für sie sinnvoll erscheint? Suchen wir nach der »positiven Absicht« hinter ihrem Verhalten?
- Schaffen wir es, Menschen mit abweichenden Meinungen oder sozial vielleicht unerwünschtem Verhalten mit einzubeziehen?
- Verhindern wir vehement das Herausbilden von »Sündenböcken« oder Polarisierungen? Und wissen wir, wie wir das tun können?
- Kann unser Herz weiter ruhig schlagen, auch wenn im Raum Spannungen hochkommen und die Gruppe zu zersplittern droht?
- Gestalten wir Räume, in denen Menschen ihren Standpunkt nicht verteidigen müssen und ihn verändern können, wenn sie möchten?
Ein grundlegendes Modell, »wie das Neue in die Welt kommt«, wurde von Otto Scharmer und dem Presencing Institute entwickelt. Scharmer konstatiert, dass es in erster Linie auf den inneren Ort ankommt, von dem aus wir auf die Welt und unsere Fragestellungen schauen. Die von ihm entwickelte »Theorie U« (Scharmer 2019) und die damit verbundene, weltweit wachsende Gemeinschaft von Menschen, die sich in ihrer Prozessgestaltung an diesem Modell orientieren, bringt Licht in ein paar wesentliche Fragestellungen.
Für die praktische Arbeit sind vor allem Scharmers drei Ebenen der Öffnung (Öffnung des Geistes, des Herzens und des Willens) und die dem entgegenwirkenden Stimmen (Urteilen – Zynismus – Angst) zentral. Für uns dienen vor allem dialogische Methoden dazu, diese Öffnung zu unterstützen. Auch der untere Teil des U, das »Presencing« – ein Ort der Stille, bei dem es darum geht, ganz im »Hier und Jetzt« zu sein und die sich erst allmählich manifestierende Zukunft »kommen zu lassen« – ist ein wichtiges Prinzip in unserer Arbeit.
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Mehr zu den Grundsätzen des Facilitation in meinem „Mini Handbuch Facilitation“, Beltz-Verlag 2021, oder in unseren Ausbildungsangeboten auf www.facilitation-academy.de
Wir möchten besonders auf unsere folgenden Ausbildungsangebote hinweisen:
1-jährige Ausbildung zum Facilitator
Seminar Interne Prozessbegleitung
Facilitation Basics Online
© Jutta Weimar – Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Leicht veränderter Auszug aus dem Buch „Mini-Handbuch Facilitation“, erschienen 2021 beim Beltz Verlag. Alle Rechte vorbehalten. Mehr Informationen zu Facilitation unter: www.facilitation-academy.de
*** English Version ***
7 Facilitate emergenceMy principles of #facilitation 7 of 8
When dealing with change, the difference between a trivial system and a living system becomes particularly apparent. The idea that a change can be brought about from the outside and that then a status quo is reached which will not change again until a new „error“ occurs, is authoritative and important in the functionality of a machine, but a grossly negligent misconception when dealing with people and groups.
Interestingly, however, I encounter this idea and attitude surprisingly often. Especially in times of high pressure and workloads that are perceived as unreasonable, managers (often unconsciously) look for the seemingly „right lever“ from which they hope to achieve a change in the desired direction through measures such as transferring employees, expanding or reducing management span, using disciplinary measures or personnel development. Of course, these measures can form a helpful new structure within which change can then occur. However, it is usually the communication about it and the shaping of the relationship that also makes a difference in such measures.
For us facilitators this means that we should have knowledge about change dynamics and group phenomena as well as experience. Crucial here is how we deal with resistance and objections or conflicts:
- Do we see resistance as a problem and try to avoid people showing displeasure or opposition? Or do we recognize resistance as something like blocked excitement, i.e. energy that is necessary to move something?
- Are we able to see all supposedly challenging behaviour as a sign that people are „in it“ and have a vested interest or that they want to ensure something central?
- Are we prepared to look beyond power interests, which undoubtedly also play a role, and see the people behind them with their needs, fears and longings?
- Do we succeed in always assuming that people always do what seems to make sense for them? Do we look for the „positive intention“ behind their behaviour?
- Do we manage to include people with dissenting opinions or perhaps socially undesirable behaviour?
- Do we vehemently prevent the emergence of „scapegoats“ or polarizations? And do we know how to do that?
- Can our hearts continue to beat calmly, even when tensions rise in the room and the group threatens to fragment?
- Do we design spaces where people don’t have to defend their point of view and can change it if they want to?
A basic model of „how the new comes into the world“ was developed by Otto Scharmer and the Presencing Institute. Scharmer states that what matters most is the inner place from which we look at the world and our questions.
The „Theory U“ he developed (Scharmer 2019) and the associated, globally growing community of people who orient their process design around this model shed light on a few essential questions.
For practical work, Scharmer’s three levels of opening (opening of the mind, heart and will) and the voices counteracting this (judgment – cynicism – fear) are especially central. For us, dialogic methods in particular serve to support this opening. The lower part of the U, „presencing“ – a place of stillness, which is about being completely in the „here and now“ and „letting come“ the future that manifests only gradually – is also an important principle in our work.
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More about the principles and practice of facilitation in my „Mini Handbuch Facilitation“, published 2021 by Beltz-Verlag, or in our training offers on www.facilitation-academy.de
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