Was eine entspannte, aber klare facilitative Haltung bewirken kann

Erfahrungsbericht aus einer Hospitation beim Vorbereitungstreffen für eine Open Space-Veranstaltung

  1. Meine Beobachtungen
    Es geht darum, wie beeinträchtigte Studierende besser in den Studienbetrieb inkludiert werden können. Der erste Eindruck im Studentenwerk: Ein wunderschöner Raum mit Blick auf die Spree und das Bode-Museum. Tolles Parkett, schönes Bücherregal. Raumgewordene Wertschätzung für die Teilnehmenden und die geplante Maßnahme.Wir bauen einen schönen großen Stuhlkreis für alle zwanzig Teilnehmer*innen inklusive uns auf. Jutta installiert ihr Notebook und einen portablen Lautsprecher. Das erste ist Musik und gute Laune. Das bewirkt eine Lockerheit bei uns und allen anderen, die ich von eigenen Veranstaltungen nicht kenne. Jutta ist sowieso total fröhlich, lacht und steckt alle anderen um sie herum damit an. Immerhin sind die Veranstalterinnen sehr aufgeregt, da zeigt die Atmosphäre, dass alle sich entspannen können. Auch in der Pause und am Ende wird wieder Musik aufgelegt, und durchaus mitreißende.
  2. Interpretation
    Später, in der Diskussion, zeigt sich, wie wichtig es war, selbst entspannt und gut drauf zu sein. Den Teilnehmenden sind ihre Themen sehr wichtig. Es geht um Benachteiligung behinderter Menschen. Es geht darum, ob ein Open Space barrierefrei gestaltet werden kann. Die Einsicht setzt sich durch, dass das nicht geht. Teilnehmende werden nachdenklich, still, überlegen, ob die Methodik geändert werden sollte. Äußern Unzufriedenheit und werden auch kritischer im Umgang miteinander und mit Jutta. Dabei ist es eigentlich faszinierend: Viele Ideen und Pläne werden genannt, technisch hochwertige Unterstützungsmöglichkeiten, um Sehbehinderten, Gehörlosen, Mobilitätsgewandelten gerecht zu werden. Ein Teilnehmer berührt mich, denn er sagt: „Ich finde, auch als Blinder habe ich das Recht, mal einen Open Space zu erleben, auch wenn er nicht barrierefrei ist.“ Ich finde, er hat Recht. Leichter Stress kommt in mir auf: Man kann so leicht daneben liegen bei diesen Themen, es wird genau beobachtet, ob man wirklich achtsam mit dem Thema umgeht. Ich bin froh, dass Jutta spricht und nicht ich. Ich habe Nachholbedarf beim Thema political correctness…
    Und Jutta bleibt völlig entspannt und ruhig, auch als dieser Stress in den Raum kriecht. Und sie bleibt klar. Immer, wenn Vorschläge kommen, wie der Open Space verrenkt werden könnte, um sicher zu stellen, dass kein Teilnehmer frustriert wird, sagt sie leidenschaftlich nein: Das Wesen des Open Space muss erhalten bleiben, sonst ist es keiner mehr.
  3. Was ich davon mitnehme
    Wir überziehen. Aber nie würde Jutta auf die Abschlussrunde verzichten. Im Gegenteil. Dafür wird noch einmal ein schöner Stuhlkreis gemacht. Jede und Jeder sagt etwas, dann muss der nächste Termin halt warten. Und irgendwie sind die grundlegenden Zweifel, ob der Open Space stattfinden soll, dann weggeblasen. Dadurch, dass sie einfach da sein durften, haben sie sich aufgelöst. Es geht nur noch um das „Wie?“, und das ist dann eigentlich auch klar: Eine Gruppe von kompetenten Personen findet sich zusammen und plant genau, mit welchen Maßnahmen die Veranstaltung so zugänglich wie möglich gestaltet werden kann.

Ich nehme mit: Es gibt unter der Sonne viel mehr Möglichkeiten als ich dachte und ich kann mit meinen Klienten viel entspannter und fröhlicher sein als ich dachte. Vielleicht schaffe ich mir mal einen tragbaren Lautsprecher ein und lade itunes auf mein Notebook?